Nachrichten

[Archiv 2004] [Aktuelle Meldungen]

Wahlberichterstattung: Wahl des Bundespräsidenten durch die 13. Bundesversammlung

18.05.2004

Zur Wahl des Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung

Vor der Wahl des Bundespräsidenten am 23. Mai 2004 durch die 12. Bundesversammlung scheinen die Mehrheitsverhältnisse festzustehen (siehe die Zusammensetzung der Bundesversammlung). So kann der Kandidat der CDU/CSU und FDP, Horst Köhler, auf 622 Stimmen hoffen, die Kandidatin von SPD und Grünen, Gesine Schwan, die auch von der SSW-Abgeordneten Anke Spoorendonk unterstützt wird, auf 550 Stimmen. Ob noch weitere Kandidaten aufgestellt werden, ist offen, da jedes Mitglied der Bundesversammlung einen Kandidaten benennen kann. Allerdings ist eine schriftliche Zustimmungserklärung des Vorgeschlagenen beizufügen.

Horst Köhler wird im ersten oder zweiten Wahlgang nur dann nicht mit der absoluten Mehrheit von mindestens 603 Stimmen gewählt werden, wenn ihm 19 Vertreter von CDU, CSU bzw. FDP in der Bundesversammlung ihre Stimmen versagen. Da die Wahl geheim ist und die Mitglieder der Bundesversammlung nicht an Weisungen und Aufträge gebunden sind, wäre dies grundsätzlich möglich, es ist aber nicht wahrscheinlich.

Durch Mandatsverzicht Änderung in parteipolitischer Zusammensetzung

In der Zusammensetzung der Bundesversammlung nach Parteien hat es wegen eines Mandatsverzichts noch eine Änderung gegenüber dem Stand nach den Wahlen durch die Länderparlamente gegeben.

Das hessische Mitglied der Bundesversammlung, Walter Wallmann (CDU), hat nach Auskunft des Deutschen Bundestages auf sein Mandat in der 12. Bundesversammlung verzichtet. Nachrückerin auf der in Hessen von CDU und FDP gemeinsam aufgestellten Liste ist Nicola Beer (FDP). Die FDP erhält damit zu Lasten der CDU einen zusätzlichen Sitz in der Bundesversammlung.

Sportler, Künstler, Wirtschaftsvertreter

In der Bundesversammlung selbst sind immer wieder neben Politikern auch Sportler, Schauspieler, Wissenschaftler und andere Prominente vertreten.

Allein an Olympiasiegern, Vizewelt- und Weltmeistern sind im Reichstagsgebäude mit dabei: Claudia Pechstein, Michael Stich, Jens Weißflog, Hartwig Gauder und Shanta Gosh (für die CDU); Rosi Mittermaier, Karl-Heinz Rummenigge und Michael Uhrmann (für die CSU); Kati Wilhelm und Ingo Steuer (für die SPD) sowie Udo Beyer (für die PDS).

Ebenso finden sich mit den von der SPD nominierten Renan Demirkan, Ottfried Fischer, Manfred Zapatka und Uwe Friedrichsen sowie der von den Grünen benannten Nina Hoss bekannte Schauspieler unter den Delegierten. Aus der Wirtschaft vertreten Friede Springer, Lothar Späth, Dieter Hundt und Wendelin Wiedeking die CDU, Heinrich von Pierer die CSU, Werner Müller, Michael Sommer und Peter Hartz die SPD. Die CDU entsendet auch Designerin Jette Joop und die CSU Gloria von Thurn und Taxis.

Paul Spiegel, der 1999 noch von der SPD entsandt wurde, tritt diesmal für die CDU an. Der Präsidentschaftskandidat Horst Köhler nimmt selbst als Wahlmann aus Baden-Württemberg an der Wahl teil.

Nicht ganz klar ist die Zuordnung von Hubert Weinzierl, der über den rot-grünen Wahlvorschlag in Bayern gewählt wurde. Wir haben ihn – nach Rückfrage bei den Landtagsfraktionen – der SPD zugeordnet, die den rechnerisch nächsten Anspruch auf seinen Sitz hatte.

Älteste und jüngste Mitglieder der Bundesversammlung

Die CDU stellt sowohl das jüngste (Cedric Bickel, 18 Jahre aus Thüringen) als auch das älteste Mitglied (Hans Filbinger, 90, aus Baden-Württemberg) der Bundesversammlung. Hans Filbinger, der schon 1959 der Bundesversammlung angehörte, dürfte damit auch das Mitglied mit der größten Bundesversammlungserfahrung sein.

Der Versuch, den jüngsten Abgeordneten zu stellen, kann auch mit einigen Tücken verbunden sein. So hatte die CDU-Fraktion im Thüringischen Landtag ursprünglich Johann Waschnewski als voraussichtlich jüngsten Wahlmann nominiert (LT-Drs. 3/4029). Da die Mitglieder der Bundesversammlung aber nicht nur am Tag der Bundespräsidentenwahl, sondern auch schon am Tag der eigenen Wahl 18 Jahre alt sein müssen, blieb der Fraktion nichts anderes übrig, als ihren Wahlvorschlag zu korrigieren (LT-Drs. 3/4071). Am 23. März wählte sie dann statt Waschnewski den etwas älteren Bickel.

Immunität einiger Mitglieder aufgehoben

Die Mitglieder der Bundesversammlung genießen wie die Abgeordneten des Deutschen Bundestages strafrechtliche Immunität, so daß während der Zeit ihrer Mitgliedschaft bis zur Wahl des Bundespräsidenten nicht gegen sie ermittelt werden kann. Gegen Peter Strieder, der sein Mandat inzwischen zurückgegeben hat, Walter Döring und Norbert Raulin laufen jedoch nun Ermittlungsverfahren, da der Deutsche Bundestag ihre Immunität aufgehoben hat. An diesen Beschlüssen war umstritten, ob der Bundestag die Immunität von Mitgliedern eines anderen Verfassungsorganes überhaupt aufheben kann oder ob dies nur durch die Bundesversammlung selbst möglich ist.


von Martin Fehndrich